Unterkunft Störhaus
Die Nacht war eisigkalt. So so so kalt. Eine mit-Mütze-schlaf-Nacht. Und mit allem was man sonst noch dabei hat. Trotzdem ging es gar nicht, um halb 4 beschließe ich meinen Daunen-Schlafsack zu packen und unten in der warmen Stube auf der Bierbank zu schlafen. Da frühstücken zwar um halb 7 die ersten, aber das wären ja immerhin noch 3 Stunden. Auf dem Weg dahin stolpere ich über einen Stuhl, auf den eine gute Fee Decken aufgestapelt hat. Ich bin überzeugt das ist eine Fata Morgana, aber nehme mir trotzdem eine. Es wird wärmer! Ich gewinne 2 Stunden Schlaf bis die Kälte einen neuen Weg durch irgendwelche Ritzen gefunden hat. Ich tappe raus, hole eine zweite Decke, eine Doppelbett-Riesen-Decke, die ich jetzt doppelt gefaltet auf mich in all meinen Klamotten, den Hüttenschlafsack, den Daunenschlafsack und die erste Decke lege. Ich schlafe bis halb 9, verpasse das Frühstück. Hüttenfrühstück verpassen ist eigentlich immer eine gute Idee, weil meist gibt es dann nur Kuchen als Alternative.. Hehe….🙂 Ich bekomme einen Apfelstrudel mit Sahne statt des obligatorischen Marmeladenbrotes. Marie Antoinette lässt grüßen („und wenn das Volk kein Brot hat, dann soll es eben Kuchen essen…“)
Die anderen 3 Gäste von gestern Abend sind schon lange los, der Therapeut wollte ja noch bis Berchtesgaden, das Geschwisterpaar war unschlüssig wegen des Wetter wohin. Trotzdem ist Full House. Hier findet grad irgendeine Gemeinderatsitzung oder sowas statt? Der mit dem blauen Hemd sieht aus wie der Bürgermeister. Es werden eifrig Baupläne und Umbaumaßnahmen diskutiert. Ich fühle mich in eine Folge der Piefke-Saga versetzt. Ich warte auf die Stelle, wo der eine dem andern ein Baugrundstück samt Hotelbau-Genehmigung anbietet, im Gegenzug dafür aber die Ehelichung seiner Tochter durch den Bürgermeister-Sohn erwartet. Aber die Stelle kommt nicht, vielleicht hab ich sie auch schon verpasst mit meiner Langschläferei 🙂 Die häufigste Wortmeldung lautet „a geh scheiß di oh!“. (Der Mann erklärt mir später, hieran könne man das Salzburger Land vom Hauptstadt-Wiener unterscheiden, die würden hier sagen „Gö scheißn!“ Man lernt so viel beim Reisen…) Irgendwo darf man keine Bäume fällen, weil sich da häufig Liebespaare verlustieren und die könne sonst jeder von irgendeiner Terrasse aus sehen. Das ist ja mal eine tolle Gemeinde, wo auf Schäferstündchen in freier Natur derart Rücksicht genommen wird. Da will ich auch wohnen!! Es findet sich leider nicht der richtige Moment nach einem Baugrundstück für MICH zu fragen. Aber ich habe auch keine Söhne und Töchter die ich feilbieten könnte… Und ich muss jetzt auch los, Richtung Triest.
Als ich mich zusammenpacke und mein Lager räume, macht die gute Fee gerade Betten. Wir ratschen ein bisschen. Sie arbeitet hier im Sommer, im Winter betreut sie Sterbende. Sie schaut immer, dass alle tot sind, bevor der Sommer losgeht (???) aber jetzt muss sie morgen wieder runter ins Tal, eine wollte noch nicht gehen, für die will sie da sein. Ich spüre wie wichtig ihr das ist. Wie sie selbst damit umgeht, will ich wissen, dass sie dabei so fröhlich und ausgeglichen bleibt? Sie guckt mich verwundert an, meint, nichts hat ihr je so viel Ruhe gegeben wie diese Arbeit. Weil sie jedes mal wieder spürt „und ich lebe noch, mach was draus“, gleichzeitig aber auch weiß, irgendwann trifft es jeden. Das sei so gerecht. Das man überhaupt gar nichts planen kann. Ihr ganzes Zeug passt inzwischen in den Kofferraum ihres Autos. Sie plant nichts mehr, GAR nichts mehr. Ein sehr starker Kontrast zu vielen, die mit mir über ihre Karriere sprechen und klare 10 Jahrespläne im Kopf haben. Die sind das andere Extrem. Ich versuche ja irgendwie die Mitte zu treffen. Schon so eine Idee zu haben wo man hin will und das auch zu verfolgen. München – Venedig war da letztes Jahr so ein „LehrMeister“ für mich. Ein großes Ziel, eine Richtung haben, aber auf dem Weg dahin offen bleiben was einem sonst so vor die Füße fällt (manchmal steht da plötzlich eine Prosecco-Farm mit Pool! Da wäre es ziemlich dumm, seine Pläne nicht spontan zu ändern…) Den Weg vor allem genießen, der Freude folgen. Vieles kann man nicht planen, z.B. das mit dem Studium jetzt. Das hätte in keinem 10-Jahresplan stehen können, einfach weil es das bis eben nicht gab. Und jetzt ist es eines meiner Jahreshighlights bislang. Ganz ungeplant. Dass ich aber Selbstständig sein wollte um genau für solche Projekte Luft und Zeit haben, es künftig NICHT mit einem Arbeitgeber absprechen zu müssen, das wusste ich schon. Das war mein Plan. Auch die Möglichkeit zu haben, 2-3 Monate im Jahr zu reisen, unterwegs zu sein. Also, ich plädiere in dieser Frage wohl für die aristotelische goldene Mitte.
Die gute Fee endet mit den Worten „Und noch nie hat jemand von denen zu mir gesagt: Hätt ich bloß mehr geputzt oder gearbeitet. Noch NIE!“ Sie empfiehlt mir noch das Buch „Achtsam morden“ das soll ich unbedingt lesen. Dann lässt sie mich leicht irritiert zurück und geht ins nächste Zimmer. Aber ich packe es auf meine Lese-Liste.
Ich mache mich fertig, noch ein paar Bilder draußen und starte so gegen 10:45 Uhr hoch zum Geiereck, wo auch die Seilbahn ankommt. Ja es hätte auch einen leichten Weg hier hoch gegeben…
Draußen ist es – völlig überraschend – auch kalt. Aber trocken, und das bleibt es auch den ganzen Tag. Die Regenjacke bleibt trotzdem an, als Windschutz. Die Wege waren von der Nacht noch ziemlich nass, da ging es ein bisschen langsamer wenn man dann über die rutschigen Felsen klettert. Am Salzburger Hochthron angekommen ist es windig mit sehr wenig Sicht.
Ich esse eine Mozartkugel, die mir meine Schwiegermama gestern noch überreicht hat. In einem Blog haben wir welche gesehen, die 2 Mozartkugeln nach Triest getragen haben und dort mit ihren Bergschuhen zusammen am Marktplatz fotografiert. Ich glaube, das mache ich jetzt auch, hab ja ne ganze Tüte davon… Jetzt mag manch einer sagen, es sei semi-intelligent Schokolade über die Berge zu tragen, aber es ist so kalt heute bin ich davon überzeugt, ich könnte auch ein Steckerleis unbeschadet transportieren. Die Mozartkugel ist übrigens köstlich, irgendso eine weiße Sommer-Edition.
So gestärkt geht es weiter, teilweise schon steil hoch hoch, dann wieder runter, kurz vor der Mittagsscharte habe ich wohl die Grenze überquert. Jetzt bin ich wieder in Deutschland. Dort verlaufe ich mich kurz ein bisschen, aber andere haben grad erzählt, ihnen ging es genau an der Stelle ähnlich heute. Man hat immer ein bisschen Blick in wenigstens eine Richtung, es ist nicht komplett nebelig.
Der Weg schlängelt sich durch Latschenkiefern und ist trotz der Nässe ganz gut zu gehen. Ich bin aber erleichtert, als ich das Schild „Störhaus 1 Std.“ sehe. Kurz drauf sieht man es auch schon und es wirkt deutlich näher. Ich lege einen Zahn zu.
Eine Viertelstunde vorher könnte man zum Berchtesgadener Hochthron abzweigen, dem Gipfel hier mit phantastischem Blick. Aber es ist ja doch eher wolkig? Und mich zieht es so sehr in ein warme Hütte. Aber es sind wirklich nur 5 Minuten, also erklimme ich diesen Gipfel heute auch noch.
Um kurz nach 3 komme ich am Störhaus an.
Ich treffe gleich die beiden Geschwister vom Vortag, die sind auch hier. Ich bekomme ein winziges süßes Zimmer für mich alleine, es liegen 2 Decken drin und es wirkt ein BISSCHEN wärmer als gestern. Sonst sind hier nur noch 3 ältere Herren aus Köln. Also wieder sehr wenig los, das schlechte Wetter hat viele stornieren lassen.
Halbe Etappe, wenig Höhenmeter, ich hatte mich mental auf einen Spaziergang eingestellt.
12 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
🤩
Ich liebe diene Schreibweise, es ist immer so als ob man direkt mitlaufen würde.
Die Buchempfehlung kann ich nur unterstreichen!
Hoffentlich hast du wärmer geschlafen die zweite Nacht…
Na dann kommt es wirklich auf die Liste.
Danke für die Bestätigung.
Wie spannend! Ich hoffe, du hast inzwischen ein paar Stunden erholsamen Schlaf gefunden. Gutes Weiterlaufen wünsche ich dir und ein bisschen Sonne. Liebe Grüße, Christine
DANKE! Die hatten wir heute zu Genüge. Schlaf inzwischen auch. Alles Liebe, bis bald, Katharina
Haha … „Achtsam morden“ und „Das Kind in mir will achtsam morden“ hab ich erst neulich gelesen und musste dabei an Dich denken 🙂 Auch wenn mir der dritte Teil fehlt bin ich sicher, dass Du an den Büchern Spaß haben wirst!
Ich wünsche Dir auf Deinem aktuellen Abendteuer, dass Du genauso viel Spaß hast, wie bei Deinem letzten. Genieße die Zeit und lass uns über Deine gewohnt liebevollen Berichte daran teilhaben.
Schön, dass Du wieder losgegangen bist! 🙂
DANKE!! Dann lese ich das die nächsten Wochen mal. Aber jetzt muss ich erstmal meinen Rückstand „aufschreiben“. ganz liebe Grüße, Katharina
Liebe Alpenbloggerin,
ich möchte den Weg auch in zwei Wochen laufen, bin mir aber noch sehr unsicher was die Schlafsackfrage angeht, (muss noch einen kaufen) vor allem dieser Beitrag hat mich verunsichert. Was für einen Schlafsack hast du denn mit? Kopfkissen braucht man aber nicht, nur Bezug?
Beste Grüße und noch eine gute Reise!!
Oh da kannst du dich auf etwas freuen. Der Kälteeinbruch bei mir in den ersten Tagen war schon extrem ungewöhnlich. Die meisten haben einen dicken 1 kg. Schlafsack dabei, ich hatte letztes Jahr lange gesucht, der leichteste warme Schlafsack hat unter 400 Gramm kostet aber über 400 Euro, das war es mir echt nicht wert. Dieser hier wiegt ohne Hülle 450 und ist auch schon warm. Nur halt bei Minusgraden geht es nicht. Aber in so Extremsituationen einfach mal freundlich fragen, meist findest sich dann doch irgendwie eine Decke zusätzlich. In Italien und Slovenien waren bislang Decken automatisch da (und es ist total warm) Also ich fand den bestes Preis/Leistung/Gewicht Verhältnis und bin in fast jeder Nacht mit ihm gut gefahren.
Kopfkissen gibts meistens, manche haben so ein aufblasbares camping-Kissen dabei, das hatte ich letztes Jahr auch und habs dann heimgeschickt weil es auf Dauer doch unbequem ist. Ich habe einen Hüttenschlafsack zusätzlich dabei, der ist mein Bettlaken, und meiner hat auch eine Ausbuchtung fürs Kissen, das ist mein Bezug. Wenn’s mal wirklich kein Kissen gibt (war 2,3 mal der Fall) nehme ich meine Daunenjacke als Kissen.
Freu dich auf die Tour! Es ist echt herausfordernd an manchen Tagen, aber traumhaft schön! Ich bin so begeistert von der Route.
https://www.alpinloacker.com/products/alpin-loacker-ultra-leichter-sommerschlafsack-kleines-packmass-fur-reisen-und-camping?currency=EUR&variant=32041584787565&utm_medium=cpc&utm_source=google&utm_campaign=Google%20Shopping&gclid=EAIaIQobChMI06azpej08QIV0gyLCh1AWQndEAQYASABEgJ46_D_BwE
Vielen, vielen Dank für die ausführliche Antwort! Ich hab mir jetzt auch so einen ähnlichen gekauft. Dann heißt es jetzt Daumen drücken dass es keinen Kälteeinbruch gibt. Gute Reise weiterhin für die letzten Etappen!
Beste Grüße
Danke! Und dir einen guten Start. Katharina