Tag 27 GTA Süd Etappe 59 - Bombenentschärfung & Birthdayparty

Samstag, 10.08.24

GTA Süd Limonetto - Rifugio Garelli, Etappe 59

Die längste Etappe des GTA (klug entschärft...)

Hm rauf 850 (statt 1600 :-)), Hm runter 840, km 19 (statt 25)

Unterwegs von 8:30 - 17 Uhr, reine Gehzeit ca. 6:30h (statt 9h!!!)

Kosten EZ mit HP bei Walter: 117 Euro (im MBZ wären es 88 Euro p.P. gewesen)

Happy Birthday Paula!

Walter hat eine Kerze besorgt, David pflückt Wiesenblumen vor dem Haus und serviert sie in einem Bierkrug, ich schneide ein Käseherz in den gestern erworbenen Bergkäse.

Aber Walter hat dann doch das beste Geschenk in der Hinterhand: "Also, ich kann euch jetzt wie besprochen zum Tienda-Pass fahren, das spart euch ca. 1,5h Wanderzeit." (laut Rother sogar 2h) "Oder ich fahr euch zum Sessellift, dann spart ihr nochmal 45 min."

Stille. "Was denn bitte für ein Sessellift?" frage ich verblüfft. Und wichtiger: "wo kommt der raus?" (also wie weit weg von der blauen Linie und finden wir von da wo der Lift ankommt zurück auf meine blaue GPS-Linie? Das ist jetzt die wichtigste Frage...).

"Na der Skilift. Der ist auch im Sommer an." Er zeigt mir auf seiner Karte, wo der rauskommt. Neee, das muss er mir auf MEINER Karte zeigen, nicht dass ich dann nen Weg nicht drin habe. Aber, alles gut. Mein Komot kennt den Weg ebenfalls. Er erklärt es Paula noch auf einer analogen Karte, wir sind jetzt diversifiziert informiert. Wir kriegen das hin!

Walter druckst noch ein bisschen rum, das sei natürlich gemogelt, aber würde natürlich keinem erzählen, dass wir den Skilift genommen haben, Ehrenwort!

Bei wichtigen Entscheidungen ist unser 3-Team schnell und effizient: Wir nicken uns zu, David sagt "Machen wir. Genau so."

Ich versteh ja immer nicht, dass es einen Unterschied in der Schwere des Betrugs geben soll, zwischen sich mit dem Auto wo rauffahren lassen und mit der Gondel. Das ist beides gleich geschwindelt.

Diese Bombe in Form der längsten Etappe des GTA haben wir gemeinsam also sehr erfolgreich entschärft. Danke Walter! Wir werden abends trotzdem sehr platt auf der Hütte sitzen und uns bestätigen, dass wir viel mehr jetzt aber echt nicht geschafft hätten...

Aber jetzt machen wir uns erstmal fertig, es ist kurz nach 8 Uhr. Walter sagt, er meldet uns alle unter meiner Personal-Ausweis-Nummer an, ich soll nur schnell die Namen und Geb.Tage meiner Freunde auf den Zettel schreiben. Paula, 10.8.77, das ist einfach. Davids Geb. Datum weiß ich zufällig auch. Ich schreib es drunter. Walter sagt: "und wie heißen die mit Nachnamen? Du hast nur die Vornamen drauf geschrieben." Ich zucke mit den Schultern. "Keine Ahnung, ehrlich. Müssen wir sie dann noch fragen."

Er guckt mich entgeistert an: "Ich dachte, ihr seid Freunde??" "Ja mei, deswegen weiß man doch nicht automatisch, wie jemand heißt??" 😂 Er ist schon echt sehr deutsch.

Er gibt uns noch Baguettes zu unserem Käsevorrat dazu für heute, ich hole meinen Mozarella aus dem Kühlschrank, schnibbel ihn mit den in Palanfre erbettelten Tomaten in meine Tupperbox, bekomme noch Olivenöl und Essig von Walter, was für ein Festmal das heute wird auf dieser großen Etappe! Nur auslaufen sollte das jetzt bitte nicht...

Kurz bevor wir starten, klingelt sein Telefon. Er verneint irgendwas am Telefon, dann erzählt er uns, dass er ja mal ein kleines Hotel auf Mallorca hatte. Das haben sie schon seit 10 Jahren nicht mehr, aber die Leute rufen immer noch an und wollen es buchen. "Steht bei google noch drin!" Ich überlege, ob ich ihm nochmal erkläre, dass man sowas löschen lassen kann und ob das nicht für alle Beteiligten sinnvoll wäre. Er kriegt keine unnötigen Anrufe, Hotelsuchende fragen nicht irgendwas an, was es schon lange nicht mehr gibt. Ich lasse es dann aber. Vielleicht ist das ja seine Vorsorge gegen Alters-Einsamkeit, dass ihn in 20 Jahren noch Leute anrufen und an sein Hotel in Spanien erinnern. Oder an das L'Abric, das er mal in Limonetto DOWNTOWN hatte.

Und los gehts, der Tag ist schon wieder so unglaublich strahlend schön und vorfreudig.

"Ich treffe euch unten am Parkplatz" ruft er und braust schon mal vor. Dort werden wir in sein Auto steigen und zum Skilift fahren. Vorher fährt er noch das Zimmermädchen nach oben. Er hat heute Abend neue Gäste. Franzosen.

Er hat uns versprochen, um 8:30 startet der Lift, wenn wir um 8:25 da sind, dann sind wir die ersten. Sind wir aber gar nicht, zwei Österreicher mit Mountainbikes stehen vor uns an. Der Liftkartenverkäufer dreht seine Musikanlage leiser, er scheint für die anstehende (Apres)-Skisaison zu üben. "Hast du auch Happy Birthday?" rufe ich ihm zu. Hat er nicht. "Dann singen doch wir!" sagt einer der Mountainbike-Österreicher. Paula bekommt ihr zweites Ständchen, gesungen von 3 Nationen. Der Liftwart singt auch mit.

Ein freundlicher Herr reinigt noch meinen Sitz und dann schweben wir sehr angemessen diesem großen Tag entgegen!

Ja gut, es sieht schon ein bisschen nach Skigebiet aus.

Und dann laufen wir auf breiten Pisten nach oben, zurück auf unsere blaue Linie... Und hier sehen wir zum ersten Mal auf meiner diesjährigen Tour etwas, dass ich bislang ein bisschen vermisst habe: Ganz viele Murmeltiere, die in der Morgensonne an den Hängen herumtollen und sich nicht ständig pfeifend verstecken! Ich zeige mit den Armen auf alle, die irgendwo in der Wiese stehen, aber mir gehen sehr schnell die Arme aus. Es sind mindestens 5!!

Zoomt mal rein! Ein Murmeltier-Pärchen, dass sich mit einem Guten-Morgen-Kuss begrüsst 😍

bevor sie dann besprechen, was heute alles noch so ansteht. Wer sammelt Gräser und Würmer zum Mittagessen, wer holt die Kinder aus der Kita? Wie steht die Börse heute?

Eine große Schafherde wird von 3 Hunden und einem pfeiffenden Hirten sehr effizient umgeleitet, hin zu der Wiese, wo sie heute wohl grasen sollen.

Blick zurück, da sind wir vorhin ausgestiegen.

Ja und nach einer guten halben Stunde stehen wir auf unserem "richtigen" Weg und zwar schon weit auf diesem. Es sind wirklich schon 3 h weg. Traumhaft!!

Wir laufen jetzt in kaum spürbarer Steigung auf einem breiten ehemaligen Militärweg.

Der am heutigen Samstag von unzähligen Ausflugs-Jeps mitbenutzt wird. Das ist ein bisschen.... lästig. Guckt mal die Kolonne, die da anrollt.

Eine solarbetriebene (!) Ampel regelt, welche Seite grad fahren darf.

Aber die Blicke sind in alle Richtungen schön!

Und irgendwann biegt man auch auf einen kleineren Weg, den wir in den nächsten Stunden fast ganz für uns alleine haben werden. Durch eine Karst-Landschaft, die schon wieder so anders als die Tage davor aussieht.

Kurzer Blick zurück - etliche Kilometer (ich glaube es waren über 10 km) haben wir auf diesen staubigen Auto-Wegen zurück gelegt. Unter der Woche ist es da vermutlich ruhiger. Auch etliche Motorradfahrer scheinen die Gegend zu mögen. Aber die meisten überholten uns sehr rücksichtsvoll.

Napoleon war auch schon hier und hat mir - wie schon im letzten Jahr - einige Brücken gebaut und Wege befestigt. Merci an dieser Stelle. Wobei das hier grad nicht so ganz stabil aussieht...bin ich zu schwer???

Und zeitgleich knurrt uns allen der Magen! Wir machen hier mitten in dieser beeindruckenden Steinwüste unsere Mittags-Käse-Pause. Es sieht ein bisschen aus wie im Steinernen Meer, dass ich auf Salzburg-Triest "durchschwommen" habe.

Oben steht eine kleine Hütte, die jedoch - so der Rother - nur von Speläologen genutzt werden darf. "Was sind denn Speläologen?" fragen wir uns alle verwundert.

David hat ein bisschen Netz. "Höhlenforscher!" verkündet er das Ergebnis seiner Recherche. Paula haut sich auf die Stirn. "Klar, spēlaion griechisch für Höhle, DAS hätte man aber wissen können!" Na, ich ja nicht.

(Picknick-Platz)

Mit ganz viel Edelweiß links und rechts des Weges!

Und nach einer langen Pause geht es weiter durch diese beeindruckende Landschaft.

und zwar lange bergab! Phantastisch!!

Das Höhenprofil ist heute eh SEHR angenehm. Vor allem wenn die ersten 2,5h weggeschummelt wurden...😃 Ein munteres Auf und Ab, und sehr leicht, vergnüglich und frei von Gefahren (sofern man den Samstags-Verkehr überlebt hat)

aber bis zum Schluss bleibt es jetzt Autofrei.

Ja und dann zieht es sich doch ziemlich...

Und nimmt kein Ende...

David beschließt die letzten Meter Gas zu geben und es jetzt durchzurennen, eine kleine Sporteinheit einzulegen. Paula wartet irgendwo auf mich. "Also jetzt geht es hier wieder bergab, das kann doch nicht richtig sein??" Ist es aber. Und in einer seeeeeeehr langen Kurve, laufen wir erst auf der einen Seite weit hinaus um dann auf der anderen Seite alles wieder zurück zu laufen. "Da hätte man doch einfach schöne Serpentinen direkt hoch bauen können!" mault sie. Heute hat sie die guten Ideen für die Wegebauer. Die sind aber nicht da.

Wir denken drei mal, so da oben, da hamas dann! Wenigstens die Hütte müsste man jetzt ja sehen. Ich ermahne Paula, die ein paar Schritte vor mir geht "Du musst dann schon rufen HÜTTE IN SICHT, wenn du oben ankommst und sie siehst! Das motiviert die Wanderer hinter dir. Also mich." Als sie am nächsten kleinen Grat ankommt - nichts. Hat sie mich nicht verstanden??? Stattdessen leicht verspätet ein frustriertes: "ohh neiiin!" und nochmal um eine Kurve und nochmal bisschen runter bisschen hoch. Am nächsten Grat dasselbe "OH MANN!!!" 😂

Es dauert noch ne ganze Weile bis es heißt "Hütte in Sicht!" Und dann erinnert uns der Berg, an diesem wunderschönen Tag, nochmal an eine kleine Lektion: Warum Nebel so gefährlich ist. Die Hütte liegt direkt vor uns - und ist plötzlich komplett verschwunden.

hier sieht man noch die Umrisse und dann

einfach weg...

Aber wir erreichen sie. David sitzt vergnügt auf der Terrasse.

Die Hütte ist ziemlich voll am heutigen Samstag, das erkennt man schon am Schuhregal:

Und hier ist dann auch Schluss mit Einzel-Doppel oder 3-Bett-Zimmer, wir kommen ins Lager! Es ist ein 20 Betten Lager, aber wir haben auch hier Glück! Außer uns ist nur noch ein italienisches Pärchen dort.

Ausnahmsweise schlafen wir oben, da sind die Fenster, da ists irgendwie viel luftiger.

Die anderen Gäste sind alle in großen Gruppen hier und belegen gemeinsam die anderen beiden Lager. Es gibt wie immer in Italien heiße Dusche, wir können noch eine Weile draußen sitzen und es gibt Geburtstags-Weißwein!

Und an unserem letzten Abend gibt es auch mehr als genug zu essen. Wir werden dreimal gefragt, ob wir nochmal ne Schüssel Pasta wollen, beim dritten Mal nicken Teile von uns, David fragt weitsichtig, ob denn dann noch was kommt? "Ja klar, Polenta, Fleisch Käse und dann Nachtisch" das volle Programm. Dann reicht es uns, zweimal Nudeln bekommen zu haben 😂 Wir winken den nächsten Gang heran...

Da in den großen Töpfen brodelt unser Essen 😍 Die Hütte hat übrigens auch ein Gewächshaus und baut eigenes Gemüse an. Das Brot backen sie auch selbst.

Unser letzter Abend. Ungeplante genial schöne 10 Tage waren wir jetzt gemeinsam unterwegs, sehr spontan von den beiden beschlossen. Was für ein Geschenk. Es gibt sehr wenige Menschen, mit denen ich so gerne gemeinsam unterwegs bin, weil es sich mit den Beiden so unkompliziert, leicht und heiter wandern lässt. Sie sind genau die richtige Mischung aus "nicht völlig verpeilt", sie haben sowas wie GPS-Daten und nen Rother dabei, ein Verständnis dafür, dass man vielleicht doch 2,3 Tage vorbuchen muss und ne Grundidee wo sie hinwollen und sind gleichzeitig aber nicht so turbodeutsch auf 30 Tage im voraus durchgetaktet ohne jeglichen Spielraum für spontane Ideen. Manchmal muss man halt ganz ungeplant in einem Sanatorium einen Wellness-Tag einlegen, sich mit grünem Schlamm einreiben und sich daran freuen, wie jung man doch ist 😂 so im Vergleich...

Sie verstehen den Nutzen von laaaangen Pausen an Berg-Gipfeln, Seen und Flüssen, und die Notwendigkeit, in nahezu jedes Gewässer zu springen. Sie sind nicht übertrieben ehrgeizig, man kommt aber trotzdem immer an. Und sie sind halt so witzig und warmherzig. Ich liebe diese Mischung sehr.

"So, ich glaube jetzt bin ich die letzten 6 Tage aber wirklich alleine." sage ich. "Na warts mal ab," meint Paula. Aber ich bin mir ziemlich sicher. Es ist niemand mehr auf der GTA-Strecke, wir haben seit Tagen niemanden getroffen und auch auf dieser sehr vollen Hütte sind nur Wochenend-Ausflügler. Und die "jedes Jahr eine Woche-Geher", ich glaube diese letzte Woche geht man dann doch nicht separat, vor allem nicht dieses Jahr, wo die eine Hütte geschlossen ist, was es schon komplizierter macht. Da ist niemand mehr. Und das ist völlig ok. Ich wäre den GTA Süd fast nicht gelaufen, weil ich Angst hatte, 5 Wochen komplett alleine zu sein, jetzt hatte ich 27 Tage BESTE und so unterschiedliche Gesellschaft!

Die letzten 6 Tage jetzt mit sich und all diesen irrsinnig schönen, tiefen Erinnerungen, das fühlt sich stimmig an.

GTA Süd Etappe 59