Mittwoch, 17.07.24
GTA Süd Lago del Laux - Massello (Rother Etappe 37, nur schlauer geschnitten)
Hm rauf 1360, Hm runter 1600, km 20,5
Unterwegs von 8:45 - 18:00, reine Gehzeit ca. 8h
Unterkunft La Foresteria in Massela
Preis Hotel Lago Del Laux: 150 Euro für das zauberhafte DZ und 90 € a la Carte Essen für zwei
Und wie das Essen gestern Abend großartig war! Und das Frühstück ist es gleich schon wieder. „Gewöhn dich nicht dran.“ sag ich wieder einmal, diesmal zu mir selbst. Es gibt so viel Obst, Erdbeeren, Blaubeeren, Pfirsiche und so Besonderheiten wie Maronen in Honig. Das schmeckt sowas von gut zum Joghurt, den es auch gibt. DAS merke ich mir! Ich liebe Maronen.
Wir wollten ja früh los, spätestens um 8 Uhr, weil erneut sooo langer Tag.
Frühstück gibt es aber erst ab 8. Da hatten wir den Plan, wir huschen um 10 vor 8 rein, da werden sie uns schon was geben, ein ganz schnelles Frühstück und dann sind wir spätestens um 5 nach 8 „on the road again.“
Der Plan hat mal gar nicht funktioniert - hier kann man nicht „schnell“ frühstücken, alles lädt zum Entschleunigen ein. Und zum alles probieren. Und zum auf den See schauen.
Neben uns ist noch ein sehr langer deutscher Mann mit GTA Führer da, der war aber gestern Abend schon nicht sehr gesprächig.
Nachts bin ich aufgewacht und auf unsere Dachterasse raus. Der ganze Himmel war voller Sterne und es war so still und friedlich. Und so viel Vorfreude, dass der ganze Sommer noch vor einem liegt, das Abenteuer erst begonnen hat. Und ein bisschen Respekt vor der erneut sehr langen und harten Etappe.
Als der Mann diese vor ein paar Tagen gesehen hatte meinte er schockiert, „Was ist das denn bitte??“ Ich hab ihm dann erklärt, dass wir vorne eine halbe Stunde wegknuspern und am Vortag weiter bis in das Seehotel gehen, und hinten auch, weil wir in Massello übernachten. Und schon sind es statt 9:30 Gehtzeit „nur“ 7:50h. Da ists dann auch nicht so schlimm, wenn ich wieder mal ne Stunde länger brauche. „Schlau“ nickte der Mann anerkennend! „Und aus fast 28 km werden dann gute 20, das klingt auch schon mal ganz anders, v.a. Wenn auch so viele Höhenmeter anstehen.“ Das uns meine „Schneide-Schlauheit“ mehr als das doppelte kosten wird, braucht er ja gar nicht wissen 😊
Es ist glaub die Darstellung, die ich an den Rother-Büchern am meisten mag. Da sieht man alles auf einen Blick. Wenn da vorher ein Häuschen kommt, kann man auch vorher übernachten. Und man sieht wieviel Zeit und km und hm man sich spart.
Alternative zwei wäre, sich vom Wirt der Unterkunft in Didiero abholen zu lassen in Balsiglia. Das würde 2h sparen, aber das mit dem Wirte-abholen ist immer so eine Sache. Manchmal haben sie dann doch keine Zeit, oder man muss zur einer bestimmten Uhrzeit dann an einem Parkplatz stehen und den ganzen Tag auf die Uhr gucken oder man wartet dort 2 h, weil er jetzt grad nicht weg kann. Außerdem sieht die Unterkunft in Massello großartig aus. La Forresteria. Aber erstmal hinkommen.
Statt wie geplant um 8:05 Uhr stehen wir dann also um 8:40 Uhr auf dem Weg. Von oben ruft von einem der Balkone eine Frau in Unterhose runter „Hey! Geht ihr etwa auch den GTA?“ Ja, und wieso sie noch so entspannt (und unangekleidet) da oben stünde? Rufe ich zurück. „Och, der Tag war ja gestern ECHT anstrengend, wir legen hier einen Pausentag ein.“ „Schöner Ort dafür, wir sind erst in Susa gestartet, da ists noch ein bisschen früh für Pausentag…“ „Wir sind auch erst vor 2 Tagen in Susa gestartet, Pausentag geht doch immer! Man muss es langsam angehen lassen.“
Sie hat ja völlig recht. Aber wir gehen jetzt trotzdem mal los!
Am Ortsschild von Laux sehen wir den langen Deutschen mit einem anderen deutschen Pärchen, die sind heute morgen in Usseaux gestartet und kamen gegen halb 9 an unserem Hotel vorbei. Ich dachte erst, es sind unsere Holländer, aber die hat heute noch niemand gesehen. Der Mann äußert den Verdacht, dass die sich auch einen Pausentag gönnen, die seien ja gestern als wir sie beim Runtergehen das letzte Mal sahen schon sehr fertig gewesen.
Nach Laux geht es dann in angenehmer Steigung los, die Luft erneut fast kühl und man geht lange im schattigen Wald.
Was man an dieser Stelle mal loben kann und sollte sind die Markierungen. Die sind bislang vorbildlich und viele neu. Bei manchen hat man den Eindruck, die Farbe tropft noch vom Baum…
Andere Bäume wurden mit phantasievollen Figuren beschnitzt, sie begleiten uns eine ganze Weile. Wir befinden uns auf der Route der „erfolgreichen Rückkehrer“ ein aus dem Schweizer Exil auf diesen Wegen zurückgekehrtes Volk, die Waldenser, die über die Jahrhunderte hinweg mit den Franzosen im Klinch lagen. Auf dem Pass, den wir heute hoffentlich erreichen, erfroren 1400 an Weihnachten 80 Kinder, die es nicht mehr schafften, sich ins benachbarte Tal vor den Verfolgern zu retten.
Gegenüber gestern scheint mein Gemecker gehört worden zu sein und die Steilheit wurde eeeetwas abgeflacht. Der Tag wird wieder ein echter Traumtag, sowohl wettertechnisch als auch landschaftlich und meine bisherige Lieblingsetappe.
Alpenrosen wieder überall! (Maria, das sind doch Alpenrosen, oder??) Alle Hänge blühen wie verrückt in den unterschiedlichsten Farben.
Sogar die Markierungen wurden bepflanzt :-)
Unser erster Pausenplatz war sehr gut gewählt, nur als kurze „Rucksack-absetz-trink-Pause“ gedacht, hüpfe ich ein bisschen nach links und nach rechts um die Schultern auszuschütteln, freue mich, wie leicht ich mich ohne Rucksack fühle, hüpfe auf einem Mini-TrampelPfad um eine Kurve und dann? „Äh, ich glaub hier geht der Weg weiter?“ Italienische Markierung, jetzt doch! Nicht an der Stelle wo man vom klar ersichtlichen Hauptweg abbiegen muss, nein, erst hinter der nächsten Kurve, nachdem man richtig abgebogen IST, bekommt mal als Belohnung eine „gut gemacht - Sie haben den richtigen Weg gefunden“-Markierung. Also das war echt Glück! Sonst wären wir jetzt falsch bzw. einen riesen Umweg gelaufen.
Auch der zweite Pausenplatz vorm höchsten Punkt ist gut gewählt, hier wird uns das erste Murmeltier unserer Tour vor die Füße purzeln, um dann hektisch quiekend wegzuspringen. Die sind so so so süß ❤️
Ein bisschen noch….
Und dann - man erreicht ihn ja dann doch immer - den höchsten Punkt. Heute auf 2.713 m gelegen. Nicht immer in ganz aufrechter Haltung aber geschafft…
Fast 1400 hm Aufstieg.
Yes!💪
Jetzt nur noch 1600 hm runter. Das geht ja immer viel leichter…
Und führt einen schon wieder in eine so großartige Landschaft mit Berggipfeln wohin man schaut.
Auf der anderen Seite ist es erneut so blumig und schön, aber wieder ganz anders arrangiert. Ich hab echt das Gefühl, ich laufe durch die Bundesgartenschau, und ein Landschaftsarchitekt mit sehr viel Sinn für Schönes hat das alles perfekt angepflanzt.
Und dann kommt auch bald der beeindruckendste Wasserfall in Sicht, der uns lange begleiten wird und der schon wieder auf den Bildern nicht ansatzweise so schön rüber kommt, wie er war… Tut mir leid… Ihr müsst wohl selbst mal hierher kommen….
Kuh vor Wasserfall
Mann vor Wasserfall
Alpenbloggerin vor Wasserfall
Der Runterweg zieht sich dann doch noch ganz schön. Der Mann gibt plötzlich Gas - er mag jetzt ankommen. Ich muss joggen, damit ich halbwegs mithalten kann, aber die Wege sind jetzt im unteren Teil leicht, da geht das schon mal.
In Balsiglia steht das andere deutsche Pärchen - sie warten auf den Abhol-Wirt. Es lohnt gar nicht, sie euch vorzustellen, sie waren nur 5 Tage hier und reisen morgen ab. Bis sie im Auto an uns vorbeifahren, sind wir fast schon in unserer Unterkunft. Wir verlassen jetzt auch die Wander-GPS-Daten und fragen googlemaps. An einer Abzweigung biegt es in einen „schönen“ Wanderweg - noch 30 min bis zum Ziel, googlemaps sagt, wenn ihr auf der Strasse bleibt sind es nur 16 Minuten…. Eine Viertelstunde nach einem soooo langen Tag, das sind Welten… Wir bleiben auf der Strasse und erreichen gegen 18 Uhr die Forresteria. Was für ein unfassbar schöner, reicher, voller Tag!
Und hier gibts zum Zimmer noch eine Terasse und einen Liegestuhl dazu.
Abendessen um halb 8, das passt einfach alles perfekt…
„Die Garte ist mit google-Translate übersetzt“ sagt der Wirt. „Ob das halbwegs verständlich sei?“
Nun, das „Bein eines Wildschweins“ hätte man vielleicht eleganter übersetzen können, aber wir verstehen im Wesentlichen was gemeint ist… Wir dürfen uns aus jedem Gang was aussuchen und es wird bis zum Dessert dauern, bis ich das „Gesamt-Konzept“ des Menüs verstanden habe…
Das ist der Waldbeeren-Vollkornreis - den der Mann mutig bestellt hat. Es klang gruselig und schmeckte dann soo besonders!
Zum Hauptgericht hatten wir beide den Fisch. Und dann kam das…Pistazien obendrauf, Kartoffeln dazu aber „Was ist das, worauf der Fisch liegt? Ist das Leberkäse? Forelle auf Leberkäs? Das ist dann doch eher …. ungewöhnlich..“
Der Mann tippt sich an die Stirn. „Das ist doch kein Leberkäs! Eher ein Knoblauchbaguette oder sowas?“
ich versuche etwas vom Rand abzuschneiden um zu probieren. Es ist sehr hart… Ich stecke ein Stück davon in den Mund. „Oh. Holz. Das ist ein Holzscheit…“😂
Nachdem ich soviel Holz gegessen habe und noch Platz für Nachtisch brauche, hab ich mir den zweiten Fisch einpacken lassen. Der gibt doch morgen eine hervorragende Wanderjause ab. Der Mann wird sich noch tagelang darüber lustig machen, dass ich Fische auf Berge trage.
Ja und dann beim Panna Cotta fällt plötzlich der Themen-Groschen - das schmeckt irgendwie nach…Wald? Irgendso ein Tannennadel-Schaumbad, das bei uns daheim rumsteht, daran erinnert mich das?
„Was ist da drin, das ist unfassbar gut?“ frage ich die Kellnerin. Sie sagt irgendwas auf italienisch, springt in die Küche und legt mir ne Pflanze auf den Teller. Die Botanikerin in mir ist ratlos, das weiß ich jetzt auch nicht was das sein soll? Das online-Wörterbuch hilft weiter: Waldthymian… WALD!! Deswegen die WALDpilze auf dem Carpaccio und den Gnocchi, die WALDbeeren im Reis, der HOLZscheit unter dem Fisch, der darauf gegrillt wurde und jetzt WALD im PannaCotta. La Forresteria!
Es ist genial! Tag 3 - ein bisschen früh, ich weiß ich darf nicht alle Superlative gleich verbraten, aber das wird auf jeden Fall einer meiner Lieblingsplätze werden! Ich habe den Gourmettempel Süd gleich an Tag 3 gefunden.
Vor allem das Panna Cotta hat gute Chancen auf das beste PC des Südteils. Es ist wirklich so außergewöhnlich genial gut!
Was für ein Lieblingstag!
Botanik, Geographie, Geschichte, Kulinarik und … auch Kommaregeln a la Katharina 😉 was für eine tolle Sommerlektüre, meine Lieblingslektüre im Juli & August!
Ich habe das Gefühl, ich wandere mit euch mit und kann förmlich die WALD-Ingredenzien schmecken 🙃
Ich freue mich schon auf die nächsten Episoden, Ulli
Another beautiful day :) I am so glad that you have your photographer with you. We get to see more of Katharina!
Wieder wunderschön❤️ von sehr traurig (ich hab etwa 3 mal gelesen, es seien 1400 Leute gestorben🙈 - 80 Kinder reichen😪) bis dann soo lustig, wenn man halt ein Stück vom Wald isst😂. Auf diese Weise verinnerlicht man wohl etwas Wunderbares auf immer und ewig... in waldnischer Art.
Die Sprache "Bilder-sind-in-echt-viel-schöner-als-auf-den-Fotos" beherrsche ich schon ganz gut und kann somit auch schon hin-und-her übersetzen. Was heisst, ich sehe hier auf deinen Wasserfallbildern ebenfalls den schönsten Wasserfall seit langem!🌊💧 Der Hammer😍
Danke für diesen Tag liebe Katharina!
Lg Ursi
Bravo! Eine weitere Königsetappe ist gemeistert, und kulinarische Belohnung in der Forresteria ist wohlverdient.
Und natürlich sind das Alpenrosen! 😉
Ein herzlicher Gruss von Maria
Wie schön, endlich wieder deine Geschichten lesen, Bilder schauen, lachen, mitfühlen und ein klein wenig „dabei“ sein. Danke liebe Katharina und noch viele so schöne Wandertage, die du genießen kannst! Ein bisserl zumindest 😅😉
Liebe Grüße aus der Heimat, Kerstin