Freitag, 04.08.23
Alpe Laghetto - Alpe Cheggio. Unterkunft Hotel Alpino
km 10,8 - hm rauf 600 - hm runter 1.180
Zeit unterwegs 08:30 - 16:15 Uhr, reine Gehzeit ca 6h
„Was ist denn das für eine Tür, mitten im Zimmer?? Wo führt die hin?“
Der junge Mann, der mich zu meinem Hotelzimmer geführt hat, guckt irritiert: „il bagno?“ „Bagno?? Ein BAD?? IM ZIMMER?“ Ich reiße die Tür auf. Ein Bad. Der Hammer.
„Dieses zweite Bett, das da im Zimmer steht, wem gehört das, kommt da noch wer?“
„äh nein Signora, das ist ihr Zimmer. Hier Ihr Schlüssel.“
Nach 8 Tagen, in denen selbst in den Hotels IMMER WC und Dusche irgendwo im Haus waren, meist nur eine für alle, selten zwei für das ganze Haus, hab ich wirklich vergessen, dass es so was gibt. Haarewaschen, duschen, niemand der schon ansteht und wartet, bis ich endlich fertig bin. Ein Traum. Als ich diese Geschichte kurz drauf im Biergarten des Hotels bei Apero-Speckplatte und Käse erzähle, lacht David: „Oh Mann, der muss echt denken wir sind irre, ich hab genau dasselbe in derselben Reihenfolge gefragt.“
Wo ich ein Twinbett-Zimmer habe, haben sie ein Familienzimmer und eben noch ein Stockbett mit drin. Auch hier - wir haben von der letzten Nacht wohl alle ein kleines Trauma davongetragen - die Angst, dass sich da plötzlich noch schnarchende Männer und Frauen dazu legen. Heute Nacht mal nicht. Ich habe spontan das Hotel gewechselt, im Rifugio abgesagt und bin nun mit den beiden Berlinern hier. Eigenes Zimmer, eigenes Bad, Biergarten. Es ist großartig. Wir sind also gesund und heiter angekommen, das vorab.
Der Tag folgte charttechnisch einem idealen Aufwärtstrend. Ich bin erstmals seit ich unterwegs bin mit richtig schlechter Laune aufgestanden, ich bekomme langsam Hüttenkoller, ich war zu früh ins Bett gefallen, hatte um 21 Uhr schon geschlafen, war dann um 3 Uhr wach und konnte aufgrund des Schnarchkonzertes im Zimmer nicht mehr einschlafen.
Ich bin dann zweimal rausgegangen, es war eine ganz milde, klare, vollmondige Nacht, der zwar die Sterne unsichtbar gemacht hat aber die Berge so schön beleuchtet.
Aber einschlafen ging halt nicht mehr.
Irgendwann ging dann auch noch der Handywecker von einem an, der schon lang nicht mehr im Zimmer war, alle 5 Minuten, und wir haben das Ding nicht ausbekommen, unser Gesicht qualifizierte sich nicht für eine italienische Face-ID - es ging nur in den Schlummermodus.
Als ich ins Bad komme, stehen da schon Zähneputzend Paula und David. „Mann hab ich schlechte Laune, echt, sprecht mich ja nicht an!“ Beide fangen wie auf Kommando an zu singen „Guten Morgen, guten Morgen, guten Morgen Sonnenschein, diese Nacht blieb dir verborgen doch du darfst nicht traurig sein…“ Meine Laune steigt um 2%, aber nur weil Mama mir das früher auch immer vorgesungen hatte.
Zum Frühstück gibts Kekse und es steht ein Tag bevor, der schwarz gekennzeichnet ist und als sehr schlecht markiert beschrieben wird, man soll quasi den ganzen Tag aufpassen, sich nicht zu verlaufen. Und dann wird es einer der landschaftlich schönsten! Mal wieder.
Vor der Hütte diskutieren wir noch ein bisschen mit dem Wirt über unsere GPS-Daten, er findet, die sind falsch und würden ganz wo anders hin gehen. Sie sind aber richtig. Um halb 9 geht es dann aber endlich los, die ersten wandelbeißend steilen Höhenmeter stehen an. Gleich mal unausgeschlafen senkrecht bergauf. Meine Spezialdisziplin.Auf unterschiedlichen Wegen kommen letztendlich alle oben am ersten Grat, dem Passo die Campo an.
Und dann blickt man in einen so harmonisch grünen Alpenkessel, den wir auf Wiesenwegen in munterem ab und wieder auf durchqueren. Es ist in alle Richtungen so schön das Herz wird leicht, die Seele renkt sich wieder ein von den „nächtlichen Strapazen“.
Hermann Hesse schrieb über diese Landschaft mal: „Wenn ich diese gesegnete
Gegend der Alpen wiedersehe, dann ist mir immer, als kehre ich aus einer Verbannung heim, als sei ich endlich wieder auf der richtigen Seite der Berge.“ Es sähe alles so „richtig“ aus, schreibt er weiter, die Landschaft so harmonisch. Und dann folgt eine wortreiche Beschreibung dieser.
Wofür Hermann Hesse fast ne Seite braucht, braucht David einen Satz. Wir sitzen grad (mal wieder) an einem verfallenen Steinhaus, haben die erste grüne Talsenke durchschritten, blicken in die unwirklich schöne Landschaft, er seufzt und sagt:„Also das ist jetzt mal so richtig doll schön. So WIRKLICH RICHTIG doll schön.“
Irgendwann geht an daran, die zweite Scharte zu bezwingen, den höchsten Punkt für heute, den Passo della Preia. Paula sitzt auf auf halber Höhe auf einem Stein und pausiert vom steilen Aufstieg. Und spricht mir aus der Seele als sie sagt: „Wieso ist denn das IMMER SO anstrengend rauf?“ „Ob wir die vielen Rotweine mal abends weglassen sollen?“ frage ich zögernd… „Alkohol und Spitzensport geht sich ja auch nicht so richtig gut zusammen.“ Wir beschließen, das mit dem Rotwein heute sein zu lassen. Sie geht weiter, verrät mir vorher aber noch ein wichtiges Geheimnis: „Hier auf dem Stein ist bestes LTE-Netz!“ Ich übernehme den Handy-Stein, schalte den Flugmodus aus und mein Telefon explodiert fast. Einige besorgte SMS, der Mann hat versucht anzurufen. Ich beantworte die wichtigsten, rufe den Mann zurück, er geht nicht ran.
Da kommen die Lehrer vorbei, sie wirken sehr vergnügt. Sie haben im Biwak kurz unterhalb der Alpe Laghetto geschlafen, waren dort allein und es war wohl perfekt ausgestattet, mit Kochstelle, Holz zum Feuer machen, saubere Decken, superromantisch. Als er in die Details gehen will, klingelt das Telefon, der Mann ruft zurück. „Sorry, da muss ich ran. Wichtig!“ Sie gehen weiter, ich meine noch zu sehen, wie er die Augen verdreht. Glaub er hat mich eh schon in so einer Münchner-Business-Tussi Schublade drin. Das Klischee erfülle ich gerade perfekt, wie ich da telefonierend auf meinem Berg-Stein sitze.
Zuhause sind nun alle wieder beruhigt, Mama, Papa und der Mann, ich mache mich nun auch wieder auf die letzten bissigen Höhenmeter zu erklimmen. Oben sieht man schon die anderen und ich bekomme wieder ein bisschen Schatten zum hochgehen.
Als ich final auch oben ankomme, liegen da David und Paula rechts in der Sonne, links diskutieren die Lehrer wohl schon länger eine alternative Route. Ich höre sie sagen „mir ists egal aber jetzt entscheid dich mal!“
Er wendet sich an uns, hält unserer aller Bibel, das rote Buch in die Höhe und zitiert über die Alternative, die er zu gehen gedenkt: „Leider wird der alte Mulipfad nicht mehr gepflegt.“ er schaut uns an „und was sagt uns das?“ Its Prüfungstime… Ich versuche mein Glück: „Das der Weg nicht mehr gepflegt wird???“ (auf dieser Tour oft gleichbedeutend mit nicht vorhandenen oder auch lebensgefährlich)
“Falsch!“ Ich bin durchgefallen.
“Leider! ist das entscheidende Wort in diesem Satz!“ erklärt er. „Das bedeutet, dieser Weg wäre viel schöner!“ „ist aber „leider“ nicht vorhanden?“ versuche ich es noch mal.
„Wir gehen das jetzt! Wir sind heute Abend im selben Rifugio wie du, falls wir nicht auftauchen, ruf die Rettung.“ Ich nicke brav. David checkt hektisch seine Karte, er ist besorgt. Er läuft ihnen nochmal nach: „Ihr wisst schon was ihr da tut oder? Ich hab da wirklich keinen Weg eingezeichnet und nix, was irgendwie wieder auf den Hauptweg führt.“ Der Lehrer winkt ab und ruft uns noch von oben zu, dass dieser Weg 70 Hm weniger hätte als unserer. Wir bleiben noch eine ganze Weile liegen. Ein ultrafreches Murmeltier bietet uns eine großartige Show, kommt immer näher und dann doch wieder zu verschwinden. Um gleich darauf wieder aufzutauchen und von wo anders her zu winken.
Das Wetter ist schon wieder so großartig perfekt, nicht zu heiß immer wieder bewölkt, dann aber blauer Himmel und einfach harmonisch schön. Es geht weiter, jetzt nur noch bergab.
Wir machen heute viele Wiesen-Liege-Pausen. Zwischendrin wandern wir aber auch! Ich wundere mich manchmal wirklich, dass ich abends immer ankomme, gefühlt stehe und liege ich schon viel. Aber scheinbar mache ich dazwischen doch die benötigte Anzahl an Schritte…
Eine Pause ist besonders schön, auf einer Panorama-Wiesen-Kuppe. Die beiden Freiburger Zelter stehen grad von dort auf „Wir machen euch den Platz frei - er ist herrlich, wir liegen hier schon ewig.“ Wir legen uns ins weiche Gras, Berge überall, Sonne im Gesicht. Ich bin so tiefenentspannt. Noch mehr, als da plötzlich die Lehrer auftauchen. „Gottseidank, liefen die Wege doch zusammen?“ rufe ich ihnen zu. Ich muss nicht die Rettung rufen.
„Naja, wir mussten umkehren, da ging’s doch nicht weiter.
Da von den Spitzen - er zeigt auf diese 3 Zacken - standen wir und dann ging es senkrecht runter.“ Er bringt seinen Stecken in eine senkrechte Position.
„Das war dann doch krass gefährlich, da sind wir umgekehrt.“ Irgendwie finde ich sie gerade cool. Sie sind bestimmt 10, 15 Jahre älter als ich, topfit, neugierig, bereisen die Welt zu Fuß und mit dem Fahrrad, gucken sich Dinge an und gehen aber keine verrückten Risiken ein. Sie können halt auch mal 2 h Umweg machen, ohne dass es ihnen was ausmacht. Kehrt man halt wieder um, oder entdeckt was tolles.
„Ihr liegt hier ganz falsch“ erklärt er uns da mit Blick auf unseren Traumplatz. „Man muss sich zum biwakieren immer eine geschützte Stelle suchen, die ist viel zu exponiert! Wir suchen uns jetzt dort unten was.“ Kurz drauf stehen sie wieder neben uns „ach ihr habt recht, da unten hat man ja gar keinen Blick, hier ist es viel schöner.“
Für die letzte Stunde gibt es zwei Varianten, einen Höhenweg oder unten am See entlang. Wir diskutieren kurz wie dringend wir baden wollen, entscheiden uns dann aber für den (unfassbar schönen!) Höhenweg. Diese letzte Stunde des Tages ist nochmal ein türkisgrünes Highlight. Der Alpe dei Cavalli Speichersee zeigt sich und begleitet uns den ganzen Weg bis nach unten ins Dorf Alpe Cheggio.
Wir finden die Stelle, wo ein Bild im Rother gemacht wurde und stellen sie (so ungefähr) nach:
Die Wege sind leicht und schön. Einmal ist es noch kurz ein bisschen ausgesetzt.
Plötzlich eine Schlange vor mir. Ich habe gelernt - ich springe NICHT zur Seite (diesmal wäre da keine Pass-Strasse sondern es geht „runter“) sondern nach hinten. „Wer von euch war es der gestern meinte, er würde so gerne mal eine Schlange sehen??“ David ruft „hier“ und läuft nach vorne, Paula macht drei Schritte zurück. David: „Die ist aber echt wunderschön!“ Wir einigen uns darauf, dass das wohl eine junge Kreuzotter ist. „Die sind tödlich!!“ ruft Paula von hinten. „Nur der Biss!“ antwortet David, neben der Schlange stehend.
Und dann sind alle Gefahren überwunden, drei sehr glückliche Wanderer haben diese traumhafte Etappe gut bewältigt.
Wir schauen uns noch den Staudamm an und gehen kurz auf die Staumauer.
Und dann biegen wir in den zauberhaften Ort Alpe Cheggio, der neben Veglia mir bislang der liebste ist. Das Hotel, dass die beiden vorgebucht haben sieht so einladend aus. „Wir fragen, ob sie noch was für dich frei haben!“ beschließt Paula. Und den Rest kennt ihr…
„Was machen wir jetzt mit unserem Alkohol-Verbot?“ frage ich Paula später. Wir kommen zu der klugen Erkenntnis, dass wir doch eigentlich nur auf Rotwein verzichten wollten. Was sollte denn gegen ein Glas Weißwein bei diesen sommerlichen Temperaturen sprechen? Gar nichts, genau.
Ein traumhaft schöner Tag endet bei bester Kulinarik, mit viel Lachen, guten Gesprächen und einem seeeeehr tiefen Schlaf.
Liebe Katharin,
ich weiß ja, dass du eine tolle Trainerin bist, aber das du auch noch so spannend und lustig schreibst, ist einfach schön!
Geniesse diese tolle Tour und hab vor allem gutes Wetter und weiterhin so bereichernde Begegnungen! 🎈🎈🎈
Hallo Katarina, Paula und ich sind jetzt auch fleißige Leser. Wir haben gerade auch viel gelacht. Du schreibst auch toll. Lieben Gruß von einem Tag hinter dir 😂
…..…..…..…hachHach..…..…..…..schööschöööön ..…..….🥰