top of page

Traumpfad München – Venedig Tag 28. Ein Abstecher ins Hippie-Land



Rifugio Bruto Carestiatio – Rifugio Sommeriva di Pramperet. Hm rauf 875, hm runter 850, km 14,5. Unterwegs von 8:00 Uhr – 13:30 Uhr, reine Gehzeit 5 Std. Erst sonnig, dann bewölkt, trocken, VOR dem Regen auf der Hütte 🙂


Ich habe nur noch Hunger und werde einfach nicht satt. Alles ist so anstrengend, obwohl es objektiv gesehen grad gar nicht so schwierige Etappen sind, da haben wir schon ganz anderes geleistet. Muss man nach einem Monat laufen so leichtere Tage nicht leichtfüßig, Steinbockmäßig überwinden können? Ich habe den Eindruck, ich werde jeden Tag ein bisschen unfitter. Wir frühstücken wieder als eine der ersten um 7 Uhr, erstens weil ich so Hunger habe, zweitens weil wir mal wieder einem angekündigten Regen / Gewitter am Nachmittag davon laufen wollen. Am Morgen ist es aber schön.





Wir haben gut geschlafen, hatten wieder ein Mehrbett-Zimmer für uns alleine.

Jede der italienischen Berghütten wo wir waren, egal wie klein, hat ihre Buchhaltung perfekt im Griff. Es sind in italienischen Berghütten meist Anzahlungen vorab erforderlich gewesen um den Platz zu reservieren. Kommt man nicht, oder sagt man ab (auch frühzeitig) ist das Geld weg, schiebt man ein bisschen Tage hin und her, sind sie meist kulant. Hier hatten wir beide die Anzahlung geleistet, weil es bei mir erst nicht durch ging, dann aber doch abgebucht wurde. Der Wirt weiß das alles, hat die Quittungen griffbereit, dazu meine Mail die ich am Tag drauf damals geschrieben hatte,  und zieht uns von unserer Rechnung beide Anzahlungen ab.


Wir laufen runter zum Passo Duran, dort stehen ein paar Esel, die uns für ein Fotoshooting zur Verfügung stehen. Der Rother warnt, jetzt kommt das „Pfui“-Teilstück, wo man 2 km an der Strasse gehen muss. Es kommt kein einziges Auto und da die Strasse von Dolomitengipfeln umrahmt ist, finden wir es wirklich ok, eigentlich schön?





Die Sonne bleibt uns sogar noch eine Weile. Es geht durch einen Wald länger steil hoch. Das Gewitter kündigt sich langsam dadurch an, dass es richtig schwül wird. Wald und Geröllfelder wechseln sich ab. Ich mache wenige Fotos, werde ich langsam Berg-müde? Es ist so anstrengend. Wir erreichen die Malga Moschesin, machen am „letzten verlässlichen Brunnen des Tages“ Rast, dort ist eine „Notunterkunft“ mit 6 Betten und Feuerstelle. Ich gucke vorsichtig hinein. Nein. Da möchte ICH nicht übernachten. Also wirklich gar nicht…



Nach einem letzten steilen Anstieg über die Forcella der Moschesin kommt bald ein Schild und der Abzweig zu unserem Rifugio, noch 30 Minuten! Nach 25 Minuten ein neues Schild: Noch 20 Minuten 🙁 Wir treffen Nr. 13, den „Erdkunde-Lehrer“ von der Tissi-Hütte, der sich verlaufen hatte und nun auch auf unseren „richtigen“ Weg trifft. Er grüßt kurz, ich rufe „Ah, Nummer 13, hallo!“ Er scheint sich nicht zu erinnern, guckt komisch und läuft schnell weiter. Erdkundelehrer halt…



Irgendwann sind wir da, eine halbe Stunde vor einem starken Regen der bis zum nächsten Morgen nicht aufhören wird. Wir können noch draußen sitzen und essen erstmal was.



Ich bin so kaputt. Die Hütte liegt traumhaft schön wir betreten sie und sind wo? Im Hippie-Land! Zwei weggetretene junge Frauen mit glasigen Augen hängen auf einer Bank in der Stube rum, bunte Tücher am Kopf und diese blumenbemalten „Milchkännchen“ vor sich, die wir in Alleghe in der Pizzeria schon kennen lernen durften. Hippie-Musik aus dem Lautsprecher, irgendwo trommelt einer. Der Ober-Häuptling hier ist ein Mann der zweifelsfrei dem jungen Winnetou gleicht! Zwei weitere, sich sehr langsam bewegende Frauen gehören auch noch irgendwie dazu. Hier ist es toll! Die Hütte ist die einfachste bislang, unser Zimmer erinnert ein bisschen an eine Gefängniszelle. Aber ohne Gitter, Hippies machen keine Gitter an Fenster.



Und ich fühle mich total wohl (und werde hier soooo gut schlafen!!) Duschen kostet 3 Euro, egal wie lange, man soll es halt am nächsten Tag beim auschecken sagen. Zum Abendessen gibt es Pasta mit Tomatensoße und Speck oder eine Minestrone. Und dann? Polenta mit Käse. Oder Polenta mit Wiener Würstchen, wir sollen wählen. Never change a winning Team! Polenta mit Käse. Seit Alleghe nun durchgängig. Und ich staune jeden Tag auf wie vielfältige Art und Weise man dieses doch sehr einfach Gericht „interpretieren“ kann. Toll!



Es ist 14 Uhr, ich werde den ganzen Nachmittag lesen, das habe ich schon einige Tage nicht mehr. Internet funktioniert kaum. Sie machen das Feuer an, es wird sehr früh echt kalt hier drin. Es gibt ein großes Bücherregal mit vielen Wanderführern, auch der „andere“ München – Venedig Führer steht da, der den ich nur abfotografiert dabei habe. Ich schlage ihn auf und bekomme einen Lachanfall! Auf der ersten Seite prangt ein Stempel vom „JUNSJOCH“!! Wir erinnern uns? Der falsche Abzweig auf meinem Weg ins Zillertal. Den an diesem Tag fast jeder falsch genommen hat. Scheins gehört das dazu. Der Besitzer dieses Buches hat offensichtlich erst ganz oben gemerkt, dass er falsch ist. Gott ist dieser Tag lange her!



Die zwei Frauen trinken weiter aus ihren Milchkännchen, aus der Hippiemusik werden französische Chansons. Der Mann schläft ein bisschen. Um 18 Uhr überlege ich mir kurz vor dem Abendessen noch einen Strudel oder Kuchen zu bestellen, es gibt erst um 18:30 Uhr das offizielle Abendessen und ich bin wirklich überzeugt bis dahin zu verhungern. Was stimmt bitte mit mir nicht???



Hippies sind irgendwie sensibler für die Nöte ihrer Mitmenschen. Obwohl ich strategisch nicht günstig sitze, bin ich von den paar Gästen die ERSTE, die ihre Pasta hingestellt bekommt. Die Schmerzen im Magen lassen nach. Ab 19:30 Uhr werden wir auf die Uhr gucken, bleierndmüde und uns sagen, wir KÖNNEN noch nicht ins Bett gehen, es ist zu früh. Wer weiß, was in der Polenta drin war. Um 20:37 Uhr geht es nicht mehr, ich geh ins kalte Zimmer, ziehe meine langen Sachen an, nehme mir noch vor zu lesen. Mir fallen vor 21 Uhr die Augen zu.


Comments


bottom of page