Traumpfad München - Venedig
3 x 10 Meter „schwimmen“. Sonst keinen Meter bewegt, wirklich. Draußen von 9:30 – 23 Uhr. Sonne, heiß. Unterkunft Agriturismo Le Noci in Tarzo/Afanta
Der Käfer hat wie erwartet die halbe Nacht Ärger gemacht. Ab 1 Uhr nachts fing er an, sich mit lautem Brummen im Sturzflug immer wieder auf mich drauf fallen zu lassen, von unter der Zimmerdecke kommend. Die Bettgarnitur hat ja sehr abrupt von dickem Daunenschlafsack auf dünnstes Leinentuch gewechselt, da merkt man das, wenn so ein fetter Käfer aus 3 Meter Höhe auf dich nieder rast. Immer wieder brruuuumm bruuuummmmm, er steigt auf, ein kurzer Moment Stille, zack peng fällt er auf meinen Oberschenkel. Ist das irgendeine Käfer-Extremsportart?? Beetle-Bungee? Der soll das wo anders machen! Es nervt SO SEHR, vor allem hatte ich Sorge, dass er mir irgendwann ins Gesicht fällt, das wäre ja noch ekliger. Nach dem ungefähr zehnten Beetle-Bungee- Sprung reicht es, ich mache Licht, sehe ihn an der Wand hocken, bin überrascht, dass er keine Neon-Trikot trägt. Er sitzt zu weit oben, schon bereit für den nächsten Sprung, ich komme nicht hin, erkläre ihm aber er soll jetzt aufhören mit dem Mist.
Eine kurze Weile ist Ruhe, dann fängt er an gegen die Zimmerwand zu fliegen, direkt neben mir, fällt runter auf den Boden, steigt wieder auf, fliegt wieder mit vollem Karacho gegen die Wand. Er ist entweder der Dortrottel von Tarzo oder, ich weiß auch nicht, Käfer-Helm-Tester? Also, wieder Licht an, jetzt krabbelt er auf meinem Kopfkissten. Es reicht. Sollte das hier blutig ausgehen, wir halten kurz fest: Er hat angefangen. Ich hau ihm den Rother Wanderführer auf den Kopf. Er krabbelt weiter. Wohl doch ein Helm-Tester. Ich nehme das Kopfkissen und schüttelt es aus dem Fenster aus. Und schließe das Fenster. Es wird jetzt zwar noch heißer hier drin werden, aber das ist egal. Ich habe gewonnen. Der Mann schläft von alledem unbeeindruckt.
Heute morgen heißt es Abschied nehmen, der Mann reist ab. Sein Urlaub ist vorbei, er muss am Montag wieder in diesem „Büro“ sein. Er geht nach einem so schönen Frühstück mit Obst und Strudel und Käse auf buntem Geschirr gegen 10 Uhr los. Er läuft zurück nach Tarzo, nimmt da den Bus nach Congliani und von dort gehen halbstündlich Züge nach Venedig. Da bleibt er eine Nacht und nimmt morgen Mittag den Zug zurück nach München. Wir finden beide, das war eine unglaublich schöne, intensive Zeit, ein „Urlaub“ so ganz anders als alles bisher. Die letzten Etappen gehe ich wieder alleine. Ich habe ja kein Büro mehr, dass auf mich wartet. Somit, kein Grund zur Eile. Oder gar zum Streichen dieser letzten Flachland-Etappe, wie es die allermeisten tun.
Was der Mann jedoch verweigert ist, eine Kiste Prosecco mitzunehmen in seinem Rucksack, er hätte immerhin schon die Hälfte meiner Sachen dabei, die ich nicht mehr brauche…Das ist.. gemein! Ich frage Donata, ob man ihren Prosecco in Deutschland kaufen kann. Naja, nicht offiziell… wie, wir seien aus München? Nun, da gäbe es vielleicht eine Lösung. Sie hat einen Sohn. Der sei ein unglaublich schöner Mann, das betont sie mehrfach, sehr, sehr stolz. Der würde in einer Münchner Traditionsgaststätte kellnern, sie sucht mir raus welche. Der hat immer ein paar Kisten dabei. Wenn wir da mal vorbei gehen, und einfach den schönsten Kellner von allen ansprechen, dann würde er uns ja vielleicht die eine oder andere Flasche verkaufen. Die Gaststätte ist gleich bei uns um die Ecke… Und die Geigerin, die irgendwie die letzte Nacht im Zimmer des Sohnes geschlafen hat bestätigt, also die vielen Bilder die da von ihm hingen, er sähe wohl Tatsache sehr gut aus…
L
iebe mitlesende Münchner Single-Damen: ich versteigere einmalig an die Meistbietende hier den täglichen Aufenthaltsort eines sehr attraktiven Prosecco-Farm-Erben…
Ich freue mich so, heute den Tag hier noch frei zu haben. Gestern beim Herlaufen hatte ich überlegt, ob ich die zweite reservierte Nacht noch stornieren kann, wir hatten ja grad erst in Belluno den ungeplanten Pausentag wegen des Wetters, ich muss doch nicht schon wieder pausieren. Das Meer ruft schließlich! Ich beschloß nach Ankunft abends mit der Besitzerin zu reden. Das war BEVOR ich wusste, was die hier anbauen auf ihrem Bauernhof. PROSECCO! Der Gedanke zu stornieren war in der selben Sekunde vergessen, als wir diesen wunderschönen alten Hof betraten, die hügelige Weinlandschaft, die an die Toscana erinnert, ein Pool mittendrin. Die vielen Tiere, die sich in allen möglichen Tiersprachen aus allen Ecken bemerkbar machen – es ist ein richtiger Pippi Langstrumpf Bauernhof. Das war VOR dem schönen Abend mit dem tollen Essen! Ich überlege nun eher, ob ich nicht eine WOCHE hier bleiben kann…Das Meer läuft schon nicht weg. Die Geigerin überlegte seit gestern Abend ebenfalls spontan eine Nacht zu verlängern, sie hat die nächsten Hotels noch gar nicht vorgebucht. Sie macht sich die Entscheidung sehr schwer, ich weiß eh schon wie es ausgehen wird 🙂 Aber ich verrate es ihr nicht, Entscheidungsprozesse sind wichtig, da muss man schon selbst durch. Irgendwann hör ich sie unter dem Fenster mit der Besitzerin reden, ob noch was frei sei, diese meinst sie sei voll, aber sie solle doch mal mit mir reden. Bei uns im Zimmer stehen ja noch 2 leere Stockbetten, ich hatte ihr am Vorabend schon angeboten, sie kann heute gerne einziehen. So machen wir es dann auch. Der Geiger will auch lieber weiter, Richtung der nächsten Etappe. Alle Männer sind nun zeitgleich weg – Mädels-Tag am Pool.
Somit geht heute ein bislang noch unerfüllter Traum dieser Reise in Erfüllung. Ich liege in der SONNE im LIEGESTUHL UND kann BADEN! Diese drei Parameter sind bislang einzeln, aber nicht gemeinsam aufgetreten. Nicht jeder würde das Plantschbecken, das jetzt gerade in diesem Augenblick neben mir steht, als „Pool“ bezeichnen, aber für mich ist er vollkommen. Ist es nicht schön, wenn Träume hintereinander in Erfüllung gehen? Um sprachlich in der Produktwelt dieses Bauernhofes zu bleiben: Wenn dein Prosecco-Glas schon bis oben voll ist, macht es ja gar keinen Sinn, noch mehr nach zu schenken. Ich war an so vielen Tagen eh schon so „randvoll“ glücklich, das hätte ein Pool dann einfach nicht mehr steigern können. Heute, wo eine heiße Asphalt-Etappe anstünde, die wir einfach verschoben haben, ist er SEHR Glücks-steigernd.
Mein Blogger-Büro ist genau neben dem Pool aufgeschlagen, es fehlen ja ein paar Tage.
Darauf bin ich aber stolz! Es war die ungeschriebene Regel, dass Schreiben nicht vom Erleben neuer Dinge abhalten darf, von keinem guten Gespräch, von keiner schönen Begegnung. Die letzten Tage waren voll davon, deswegen wird eben heute ein bisschen nachgeschrieben. Es ist Samstag und zur Mittagszeit ist es oben voll mit Einheimischen, die zum Essen kommen und dort mindestens 3 Stunden gemeinsam sitzen. Leises italienisches Stimmengewirr dringt an „unseren“ Pool, das ist so schön. Stressig ist der Tag dann aber doch. Wir müssen jede Stunde den Liegestuhl ein bisschen verrücken, damit er im Schatten bleibt. Immer mal wieder ins Wasser gehen. Die Leiter wieder raussteigen. Neue Sonnencreme auflegen…Es ist gerade 16:33 Uhr und ich freue mich schon jetzt so aufs Abendessen, aufs wieder bzw. Immer noch draußen sitze, auf laue Sommernacht und dieses ganz spezielle Italien-Feeling, das es einfach nur hier gibt.
Um 19:30 Uhr gibt es ESSEN! Es ist schon wieder so gut alles, es gibt eine extra große Portion Pasta für uns. Die Geigern fragt, ob ich glaube, ob wir da noch was haben können, vor dem zweiten Gang, sie hat schon wieder so sehr Hunger. Wenn ich etwas glaube von der italienischen Seele verstanden zu haben, dann, dass eine italienische Mama niemals ein Kind hungrig von ihrem Tisch aufstehen lassen würde. Ich rate ihr gut zu, kurz drauf haben wir beide noch einen großen Nachschlag 🙂
Danach gibt es Gulasch, Kartoffeln, so frischer Salat der so intensiv schmeckt. Nachtisch. Währenddessen geht die Sonne langsam unter. Heute trinken wir mal nur eine Flasche Prosecco zu zweit. Wir dürfen morgen schließlich wieder wandern! Es ist schon wieder diese „Ramazotti-Werbung“-Stimmung, alle Tische sind belegt, es ist Samstag Abend, die Italiener aus der Umgebung kommen hierher zum Essen.
Ich liege nach dem Essen noch lange draußen, gucke in den Nacht blauen Himmel und in die Sterne. Das Leben ist so unglaublich reich und schön.
Alpenüberquerung Traumpfad München Venedig
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